Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer: Ein Gespräch mit Prof. Birte Platow
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In einem inspirierenden Gespräch erläutert Prof. Birte Platow, Professorin für Religionspädagogik, die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) im Klassenzimmer. Sie betont die Chancen und Herausforderungen des KI-Einsatzes in Schulen und unterteilt diesen in drei Dimensionen: KI als Instrument, als Unterrichtsgegenstand und die systemische Ebene, die das Lernen in seiner Gesamtheit betrifft. Platow warnt, dass der Fokus auf individualisiertes Lernen die Gruppenarbeit und das haptische Lernen in den Hintergrund drängt, und plädiert für ein mutiges Umdenken in der Schulbildung. Sie ermutigt Lehrer, KI verantwortungsvoll zu integrieren und die Medienkompetenz der Schüler zu fördern, um ihnen zu helfen, mündige, urteilsfähige Persönlichkeiten zu entwickeln.
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in den Schulalltag wird zunehmend bedeutend. In einem umfassenden Interview spricht Professorin Birte Platow über die Chancen und Herausforderungen, die sich durch den Einsatz von KI im Unterricht ergeben. An der Technischen Universitä Dresden forscht sie über die Themen „Theologie und Künstliche Intelligenz“ sowie „Bildung der Zukunft“. Der folgende Artikel beleuchtet die verschiedenen Dimensionen des KI-Einsatzes in Schulen und deren Einfluss auf das Lernen und die Bildung.
Künstliche Intelligenz als Werkzeug im Unterricht
Im Interview positioniert Platow drei Dimensionen des schuli-chen Umgangs mit KI, die bildlich als drei konzentrische Kreise vorgestellt werden können. Im kleinsten inneren Kreis ist KI als Instrument zu verstehen. Hier geht es um den praktischen Einsatz von KI-Technologien wie Sprachmodellen, tutorielle Systeme und Apps, die Lehrer und Schüler in ihrem täglichen Lernen unterstützen. Das Verständnis davon, wie KI als Instrument im Unterricht fungiert, ist essenziell, um das volle Potenzial auszuschöpfen.
Praktische Anwendungen im Klassenzimmer
Einige spezifische Anwendungen werden vorgestellt, wie der Einsatz von KI zur Korrektur von Texten oder zur Bereitstellung individuellen Feedbacks durch Lernplattformen. Diese Technologien können helfen, den Lehrenden administrativen Auf-wand zu ersparen und gleichzeitig den Lernenden eine personalisierte Lernumgebung zu bieten. Die Frage ist jedoch, wie Lehrer diese Technologien konkret in ihren Fachbereichen einsetzen können.
Künstliche Intelligenz als Unterrichtsgegenstand
Der nächste größerer Kreis, den Platow beschreibt, ist die materielle Ebene. Hier wird KI selbst zum Unterrichtsgegenstand. In verschiedenen Fächern kann erarbeitet werden, auf welchen Grundlagen KI-Modelle basieren und welche ethischen oder sozialen Fragestellungen damit verbunden sind. Beispielsweise könnte der Mathematikunterricht die mathematischen Grundkenntnisse, auf denen KI-Algorithmen fußen, behandeln. Der Religionsunterricht könnte die menschlichen Vorstellungen hinter KI hinterfragen. Und der Deutschunterricht könnte die Veränderungen in der Sprache untersuchen, die durch KI-unterstütztes Schreiben entstehen.
Anpassungen in der Fächerstruktur
Platow warnt jedoch davor, dass durch den Fokus auf KI als Unterrichtsgegenstand Fächer, die nicht in die KI-Logik passen, weiter marginalisiert werden könnten. Der Kunstunterricht, die Musik oder der Sportunterricht, die stark von haptischem und ästhetischem Lernen geprägt sind, könnten weniger Bedeutung erfahren. Diese Herausforderungen müssen bei der Integration von KI in den Lehrplan berücksichtigt werden, um eine ausgewogene Bildung zu ermöglichen.
Die systemische Dimension des Lernens
Die dritte Dimension, die Platow als am wenigsten thematisiert betrachtet, ist die systemische Ebene. Sie fragt, wie sich das Lernen und die Vorstellung von Bildung durch den Einfluss von KI verändern. Der technologische Fortschritt führt zu einem Umdenken, denn die Art und Weise, wie Wissen vermittelt und erlernt wird, verändert sich. Es ist wichtig, darüber nachzudenken, was diese Veränderungen für die Zukunft der Bildung und für die Unterrichtsmodelle bedeutet.
Die Verschiebung in der Bildungslandschaft
Wie Platow in ihrem Interview weiter ausführt, wird der Fokus auf individualisiertes Lernen immer stärker betont. KI kann personalisierte Lernansätze bieten, die auf den individuellen Stärken und Schwächen der Lernenden basieren. Beispielweise kann KI Analysen bereitstellen, die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, ihre Fortschritte zu verfolgen und ihre Lernmethoden zu optimieren. Allerdings besteht die Gefahr, dass gemeinsames Lernen, das die sozialen Kompetenzen der Schüler fördert, in den Hintergrund tritt.
Die emotionale und soziale Komponente des Lernens
Die Bedrohung für soziale Interaktion im Lernprozess ist ein entscheidendes Thema, das Platow anspricht. Wenn KI das Lernen individualisiert, könnte dies dazu führen, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Teamarbeit unter den Lernenden leidet. Platow betont, dass trotz des Potenzials der KI, die emotionale und soziale Komponente des Lernens nicht vernachlässigt werden sollte. Die Schule sollte auch ein Ort sein, an dem soziale Fähigkeiten gefördert werden.
Der Einfluss auf Lehrkräfte und Schüler
Für Lehrer ist es entscheidend, KI Tools verantwortungsvoll zu nutzen. Platow ermutigt Lehrkräfte, reflektiert zu entscheiden, welche Inhalte sich gut mit KI ergänzen lassen, und diese bewusst auszuwählen. Gleichzeitig müssen Pädagogen auch die Rolle von KI als Gegenstand des Unterrichts betrachten und ihre Schülerinnen und Schüler anleiten, kritisch mit diesen Technologien umzugehen.
Die Rolle von Lehrkräften im Zeitalter der KI
Platow hebt hervor, dass der Lehrberuf sich im Zuge der Digitalisierung wesentlich wandeln muss. Neue Perspektiven sind gefragt. Lehrkräfte sollten nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch als Lernbegleiter agieren, die sowohl die individuellen Lernprozesse als auch die sozialen Interaktionen fördern. Eine Neudefinition des Berufsstandes könnte hier nötig sein, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Fortbildung und Unterstützung für Lehrkräfte
Um die Lehrkräfte in diesem Transformationsprozess zu unterstützen, besteht ein dringender Bedarf an qualitativ hochwertigen Fortbildungsprogrammen. Hier ist unter anderem die Webseite der Technischen Universität Dresden relevant, die spezifische Programme für Lehrkräfte zu Künstlicher Intelligenz im Unterricht anbietet. Die Einbindung dieser Programme in die Schulpraxis ist entscheidend, um die Fähigkeiten der Lehrenden zu erweitern und sie auf die Herausforderungen der digitalen Bildungslandschaft vorzubereiten.
Schülerinnen und Schüler als aktive Mitgestalter
Ein weiterer Punkt, den Platow anführt, ist die Position der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit KI. Oftmals nutzen Lehrende Technologien nicht so stark, wie es viele Schüler bereits tun. Schüler suchen sich eigenständig Informationen und Ergänzungen zu ihren Schulaufgaben im Internet und nutzen Plattformen, um anschauliche Erklärungen und Antworten auf ihre Fragen zu finden. Diese Art der Selbstregulation zeigt, wie wichtig es ist, dass Schüler in den Lernprozess aktiv eingebunden werden.
Förderung von Medienkompetenz
Die Förderung von Medienkompetenz ist ein weiterer entscheidender Punkt, den Platow anspricht. Schüler müssen befähigt werden, die Technologien kritisch zu hinterfragen und einen bewussten Umgang mit diesen Mitteln zu erlernen. Es bedarf einer Schulung, um zu verstehen, dass hinter allen Technologien und Anwendungen Interessen stehen, die es zu hinterfragen gilt. In einer Welt, die zunehmend von digitalen Medien geprägt ist, wird diese Form der Kritikalität für die zukünftige Generation umso wichtiger.
KI und Leistungsbewertung im Bildungswesen
Ein zentraler Aspekt des Gesprächs ist die Frage der Leistungsbewertung im Kontext von KI. Platow beschreibt die Chancen, die durch den Einsatz von KI in der Leistungsmessung bestehen. KI kann den Lehrkräften helfen, zeitaufwändige Korrekturen zu automatisieren und somit eine gerechtere, kontinuierliche Beurteilung des Lernerfolges zu ermöglichen. Allerdings warnt sie auch vor den Gefahren, die mit einer solchen Bewertung verbunden sind. KI-gestützte Bewertungen sind oft auf bestimmte, leicht messbare Inhalte beschränkt, was möglicherweise zu einem Verlust des ganzheitlichen Lernverständnisses führt.
Transparenz und ihre Herausforderungen
Die durch KI gewonnenen Daten und Informationen über die Leistungen von Schülern können sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Die neue Transparenz ermöglicht es Lehrkräften, präzisere Insights in die Lernfortschritte ihrer Schüler zu gewinnen. Doch Platow warnt davor, dass diese Transparenz auch zu einer Gläsernheit der Schüler führen kann, die ihre Privatsphäre und Individualität in Frage stellt. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund von Leistungskennzahlen voreilige Schlüsse über die Eignung und Potentiale einzelner Schüler gezogen werden.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Im Dialog mit Professor Birte Platow wird deutlich, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht eine Vielzahl von Chancen und gleichzeitig auch Herausforderungen mit sich bringt. Es ist unerlässlich, alle Dimensionen zu betrachten – von dem praktischen Einsatz über die Behandlung von KI als Unterrichtsgegenstand bis hin zur systemischen Betrachtung. Die Integration von KI sollte gezielt und durchdacht geschehen, um nicht nur technologische Vorteile zu erreichen, sondern auch den sozialen und emotionalen Aspekt des Lernens nicht zu vernachlässigen. Die Zukunft der Bildung wird entscheidend davon abhängen, wie gut wir diese Technologien annehmen und kritisch reflektieren können.

Künstliche Intelligenz ist mittlerweile ein fester Bestandteil des Schulalltags. Professorin Birte Platow von der Technischen Universität Dresden diskutiert die vielfältigen Möglichkeiten, die KI für die Bildung eröffnet. Besonders betont sie, dass wir KI nicht nur als ein Werkzeug sehen sollten, sondern auch als ein Bestandteil des Lehrplans, der die Art und Weise, wie wir Lernen und Lehre verstehen, grundlegend verändern kann.
Ein zentrales Thema ihrer Analyse ist der Unterschied zwischen instrumenteller, materieller und systemischer Dimension der KI-Nutzung. Während die instrumentelle Dimension bereits rege genutzt wird, fordert Platow eine tiefere Auseinandersetzung mit den systemischen Auswirkungen der KI auf das Lernen und die sich verändernde Rolle von Bildung insgesamt.
„Die kognitive Dimension, in der KI besonders stark ist, hat das Potenzial, Wissen zu operationalisieren und individuell zu vermitteln“, sagt Platow. Die Herausforderung besteht jedoch darin, sicherzustellen, dass gemeinsames Lernen nicht in den Hintergrund rückt. Bilden sich unsere Schüler nicht nur individuell, sondern auch als Teil einer Gemeinschaft? Diese Frage ist von großer Bedeutung in einer Zeit, in der KI oft als kostengünstiges Mittel angesehen wird.
Sie warnt auch davor, dass gewisse Fächer wie Kunst, Musik oder Sport in der KI-Orientierung weiter marginalisiert werden könnten. „Der Fokus auf regelgeleitete Inhalte könnte dazu führen, dass wichtige, kreative Facetten der Bildung verloren gehen“, erklärt sie und betont die Notwendigkeit, Fächer und Lehrmethoden neu zu denken und zu kombinieren.
In Bezug auf die Vermittlung von Medienkompetenz hebt Platow hervor, dass die allgegenwärtige Präsenz von KI und digitalen Technologien ein großes Potenzial für die Förderung des kritischen Denkens birgt, jedoch auch ernsthafte Herausforderungen mit sich bringt. „Die Jugendlichen erleben KI als selbstverständlich, wodurch sie oft nicht die nötige Distanz gewinnen können, um kritisch darüber nachzudenken“, sagt sie.
Ein weiterer Aspekt ist die Rolle von KI in der Leistungsbewertung. Platow sieht sowohl Chancen als auch Risiken in der Nutzung von KI-gestützten Bewertungsmethoden. „Einerseits kann KI wertvolle Zeit einsparen und gerechtere Rückmeldungen bieten, andererseits besteht die Gefahr, dass wir uns zu sehr auf messbare Leistungen konzentrieren und das große Ganze aus den Augen verlieren“, so die Professorin.
Dieser Dialog über Künstliche Intelligenz in Schulen fokussiert auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und die notwendigen Überlegungen, die sowohl Lehrer als auch Schüler im Umgang mit dieser Technologie anstellen sollten. Die Integration von KI in den Unterricht sollte somit nicht nur auf technologische Aspekte abzielen, sondern auch die gesellschaftlichen und pädagogischen Dimensionen mit einbeziehen.
